Lara und das Zauberbuch
„Aufstehen, Lara!“ rief die Mutter ins Kinderzimmer hinein. Dann ging sie wieder in die Küche, um das Frühstück und die Brotzeit für Lara herzurichten. Aus dem Kinderzimmer ertönte nur ein undeutliches Grummeln. Ein verwuschelter Haarschopf schaute nur halb unter der Decke hervor, und Lara schien auch keine Anstalten zu machen, aufzustehen.
Zwei Mal musste die Mutter noch – und zwar jedes Mal ein bisschen lauter und drängender – ins Kinderzimmer rufen: „Steh doch endlich auf, Lara!“ und dann „Jetzt aber hopp!“, bevor endlich ein verschlafenes Gesicht unter der Decke auftauchte und Lara sich – nach ausgiebigem Recken und Strecken – endlich bequemte aufzustehen und ins Bad zu gehen. Missmutig und ziemlich widerwillig putzte sie sich die Zähne, wusch sich ab und kleidete sich dann an.
„Ach, wenn ich doch nur zaubern könnte!“ dachte sie im Stillen. Doch es half nichts, sie musste alles alleine machen. Bis sie endlich am Frühstückstisch saß, musste ihre Mutter schon los, damit sie rechtzeitig zur Arbeit kam. Wie viel lieber hätte die Mutter mit ihr – und auch Lara mit ihrer Mutter – in Ruhe gefrühstückt, aber jeden Tag war es das selbe Spiel wie heute: Lara kam einfach nicht rechtzeitig aus dem Bett, obwohl sie doch abends früh zu Bett ging und auch schnell einschlief. So musste sie jeden Tag alleine frühstücken, die Brotzeit in ihren Schulranzen packen und sich dann auf den Schulweg machen.
Heute konnte sie sich im Unterricht gar nicht so recht konzentrieren, denn sie grübelte ständig darüber nach, wie sie ihr Problem mit dem Aufstehen lösen könnte. Aber ihr fiel nichts ein. Als die Schule aus war, ging sie noch in die Bibliothek. Dort war sie oft. Denn dort gab es viele Ecken mit Sitzgelegenheiten, in die man sich mit einem Buch zurückziehen und darin schmökern konnte. Sie hatte auch schon einen Kinder-Leseausweis und hatte sich schon viele Bücher dort ausgeliehen, weil sie einfach gerne spannende Bücher las.
Heute stöberte sie, ohne recht zu wissen warum, ein bisschen im obersten Stockwerk herum. Hier gab es viele sehr alte Bücher, und es machte sie neugierig, ob nicht auch ein interessantes Buch für sie dabei war. Ein dickes großes Buch weckte ganz besonders ihr Interesse. Was mochte das wohl für ein Buch sein? Es hatte so seltsame Zeichen auf dem Umschlag.
Es war einmal ein Bär. Ein großer brauner liebenswerter tapsiger brummiger Bär. Der lag am liebsten vor seiner Höhle und ließ sich die Sonne auf sein Fell scheinen. Ab und zu machte er sich auch auf in den Wald und sammelte Beeren und Nüsse. Er war zufrieden mit seinem Leben, so wie es war. Warum sollte er etwas daran ändern? Im Winter machte er Winterschlaf in seiner Höhle. Und im Frühjahr kam er heraus aus der Höhle, reckte und streckte sich und ließ sich wieder die Sonne auf den Pelz scheinen. So wäre es wahrscheinlich ewig weitergegangen. Wenn nicht – ja, wenn nicht eines Tages ein seltsames Wesen vor seiner Höhle aufgetaucht wäre.
Das Wesen sah schon sehr seltsam aus: Es war klein, rund und rosig und hatte vorne eine ganz seltsame runde abgeflachte Nase mit zwei Löchern drin. Der Bär sah verwundert auf diese seltsame Erscheinung und wollte sich schon wieder hinlegen, die Augen zumachen und sich weiter von der Sonne bescheinen lassen. Doch das vorwitzige kleine Schweinchen – das war es nämlich – sprach ihn einfach an. „He, du!“ sprach es frech, „Wer bist denn du?“ Der große brummige Bär sah erstaunt auf das kleine Schweinchen. So hatte noch niemand mit ihm gesprochen. Da er jedoch gut erzogen war, beantwortete er die Frage: „Ich bin ein Bär. Siehst du das nicht?“ – „Wieso sollte ich das sehen? Sehen Bären immer so aus?“ Dem Bären schwante, dass da eine anstrengende Unterhaltung auf ihn zukam.
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